Hintergrund: Zahlen und Fakten
Hamburg ist eine bunte Stadt. Zumindest laut Statistik.
Rund 34% Hamburgs Einwohner haben einen Migrationshintergrund, was bei einem Gesamtbevölkerungsanteil von 26% laut Bundesamt für Statistik für das Jahr 2019 überdurchschnittlich hoch ist.
Im Alltag spiegelt sich diese Buntheit jedoch besonders in einigen Stadtteilen wenig wider, was daran liegen mag, dass sich der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in „sichtbaren“ Tätigkeitsfeldern nur selten mit diesen Zahlen deckt.
In Führungspositionen oder im öffentlichen Dienst gestaltet sich das Bild eher „einfarbig“, wobei es in niedrigeren Laufbahnen und im Niedriglohnsektor immer bunter wird.
Eine Erhebung zur kulturellen Vielfalt in Führungspositionen deutscher Stiftungen im Rahmen des Berliner Projekts Vielfalt entscheidet - Diverstity in Leadership aus dem Jahr 2013 kommt zu dem Ergebnis, dass nur 9% der Führungspositionen in der Geschäftsführung, dem Vorstand, Rat oder Beirat von Menschen mit Migrationshintergrund besetzt sind und von BIPOC (Black, Indigenous and People of Color) nur höchstens zu einem
Anteil von 1,4%. Auch das Bundesinstitut zur Bevölkerungsforschung (BiB) kommt in einer Erhebung des Anteils von Beschäftigten mit Migrationshintergrund in der Bundesverwaltung aus dem Jahr 2016 zu einem ähnlichen Ergebnis. Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund liegt der Studie nach bei durchschnittlich 14,8%, wobei es sich dabei jedoch überwiegend um junge Frauen handelt, die eher in niedrigeren Laufbahngruppen beschäftigt sind, seltener in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehen und seltener verbeamtet sind als ihre „urdeutschen“ Kollegen.
Im öffentlichen Dienst liegt der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund nach der Studie Ein Zeitfenster für Vielfalt der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem Jahr 2019 bei gerade einmal 6%. Es wird deutlich, dass Menschen mit Migrationshintergrund und mit ihnen BIPOC in entscheidungstragenden Positionen unterrepräsentiert sind. Dagegen ist ihr Anteil in anderen Tätigkeitsfeldern überdurchschnittlich hoch.
Beispielsweise sind laut Bundesamt für Statistik Menschen mit Migrationshintergrund im Polizeivollzugs- und Kriminaldienst, Gerichts- und Justizvollzug nur mit einem Anteil von 7,2% vertreten, sind jedoch im Bereich der Reinigung mit 55,1% in der Mehrheit und auch in der Lebensmittel- und Genussmittelherstellung sowie in der Lagerwirtschaft, Post, Zustellung, Güterumschlag mit knapp unter 40% überdurchschnittlich stark vertreten.
Die gegenwärtige Arbeitswelt spiegelt demnach nicht die reale Zusammensetzung der Gesellschaft in ihrer Vielfalt wider und dadurch, dass Menschen mit Migrationshintergrund viel häufiger unter den Reinigungskräften und Fleischzerlegern, doch kaum im öffentlichen Dienst und in Führungsostionen zu finden sind, leidet nicht nur die Teilhabe am öffentlichen Leben, sondern auch die Präsenz in der öffentlichen Wahrnehmung, als mitgestaltender gleichwertiger Teil unserer Gesellschaft.
Arbeitsplätze mit einen hohen Anteil Beschäftigter mit Migrationshintergrund sind oftmals in der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Bereichen wie Fabrikhallen, Spülküchen und Lagerräumen. Hinzu kommt, dass viele der Tätigkeiten zu Zeiten verrichtet werden, in denen der öffentliche
Normalbetrieb ruht. So ist eine parallele Arbeits- und Lebenswelt im Schatten des mehrheitsgesellschaftlichen Alltags entstanden, die den meisten verschlossen bleibt.
BIPOC in solchen Tätigkeitsfeldern werden für die Öffentlichkeit unsichtbar und es entsteht ein diffuses Bild, was es schwierig macht, Wertschätzung zu erfahren und sich als vollwertiger Teil der Gesellschaft zu begreifen.
Die Zinnschmelze möchte mit dem Projekt Un/Sichtbar zu einer Öffnung beitragen, indem sie BIPOC in solchen „unsichtbaren“ Berufen eine Stimme und ein Gesicht gibt. Den Teilnehmer*innen wird ein Forum gegeben, aus dem Schatten zu herauszutreten und ihr Leben aus ihrer eigenen Perspektive darzustellen, um so ein klareres, lebhafteres Bild entstehen zu lassen und zu einer Normalisierung kultureller Vielfalt beizutragen.
Das Projekt Un/Sichtbar möchte die Tür in die Hinterzimmer ein wenig weiter öffnen und durch Einblicke aus erster Hand das Unsichtbare sichtbarer machen.